Der Mangel an Plätzen in Frauenhäusern ist in vielen Städten Deutschlands ein bekanntes Problem. Im
Vergleich mit anderen Städten schneidet Wiesbaden, gemessen an UN-Richtlinien, vergleichsweise gut
ab. Der Status Quo, sowie die Erweiterung der Frauenhausplätze von 18 auf über 20 Plätze durch den
Neubau wird positiv bewertet. Jedoch darf sich darauf nicht ausgeruht werden, wenn es um die
langfristige Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geht. Frauenhausplätze sind nur ein Bestandteil der
komplexen Frage, wie Frauen langfristig vor Gewalt geschützt werden können.
Es ist Fakt, dass Frauen, die bereits in einem Frauenhaus Zuflucht gesucht haben, häufig erneut in ihre
prekäre Ausgangslage zurückkehren und wiederum erneut im Frauenhaus vorstellig werden. Diese
Dynamik stellt keine Ausnahme dar und wird häufig von Psychologen bei Gewaltopfern beobachtet. Es
ist unabdingbar, Frauen nicht nur übergangsweise vor Gewalt zu schützen, sondern auch die Chance
zu bieten, langfristig und selbstständig aus ihrer Lage herauszukommen.
Dazu bedarf es einer neuen bzw. erweiterten Denkweise bezüglich des Konzeptes Frauenhaus:
3-Stufen-Konzept:
- Akutphase:
In der Akutphase werden Frauen in Frauenhäusern aufgefangen, um sie zunächst aus ihrer prekären
Situation zu befreien. Hier ist es wichtig die Frauen zunächst physisch und psychisch aufzubauen, um
sie so in eine stabile Lage zu bringen. - Stabilisierungsphase:
Im Schnitt kehren betroffene Frauen 7-mal zu ihrer prekären Ausgangssituation (z. B. gewalttätiger
Partner/Elternhaus) zurück, nachdem sie bereits im Frauenhaus waren. Durch Phase 2 können Frauen
langfristig lernen, ohne ihr ursprüngliches Umfeld, aus dem sie geflohen sind, aus der Gewaltsituation
herauszukommen. Dazu soll jede Frau die Möglichkeit haben, eine eigene Wohnung zu beziehen (auch
Wohngemeinschaften sind möglich). Das Betreuungsangebot durch Sozialarbeiter und Psychologen
wird dabei den Frauen weiterhin zur Verfügung gestellt. Die eigene Wohnung soll den Frauen ein
gewisses Maß an Stabilität geben und außerdem Privatsphäre ermöglichen, die in den Frauenhäusern
selten vorhanden ist. Ein Angebot von Wohngemeinschaften bietet den Frauen eine Plattform zum
Austausch unter Gleichgesinnten. Außerdem können sie voneinander lernen und sich gegenseitig
unterstützen.
Der Fokus soll in Phase 2 auf dem Erlernen einer selbstbestimmten Lebensweise liegen. Deshalb muss
die Job- bzw. Ausbildungssuche ein Hauptbestandteil des Prozesses sein. Ein schrittweise
angehobener Mietpreis für die bezogene Wohnung kann sowohl zur Refinanzierung der
Wohngemeinschaften genutzt werden als auch den Frauen die Chance bieten, finanziell
verantwortungsbewusst und selbstständig handeln zu lernen. Phase 2 soll letztendlich dafür sorgen,
dass Frauenhäuser langfristig entlastet werden, da die Rückkehrquote durch die intensive
Betreuungsphase abnimmt und somit immer weniger Frauen auf das Angebot der Frauenhäuser erneut
zurückgreifen müssen. Die Wohnungen sind ebenfalls, wie die Frauenhäuser, geheim zu halten.
- Entlassungsphase:
Frauen und Kinder haben die Einrichtungen verlassen und bewältigen selbstständig ihren Alltag in ihren
eigenen vier Wänden. Sozialarbeiter und Psychologen besuchen in immer größer werdenden
Abständen die Frauen und bieten ihre Unterstützung an, bis diese nicht mehr benötigt wird.
Der Ausschuss möge beschließen:
Der Magistrat möge die Umsetzbarkeit für ein 3-Stufen-Konzept überprüfen. Das Konzept soll aus einer
Akutphase, einer Stabilisierungsphase und einer Entlassungsphase bestehen, die nacheinander
ablaufen und ineinander übergreifen.
In der Akutphase werden Frauen in den bereits vorhandenen Frauenhäusern, wie bisher, aufgefangen
und psycho-sozial betreut. Der Fokus soll darauf gelegt werden die Frauen „an die Hand zu nehmen“
und maximal zu unterstützen. In Absprache mit den Sozialarbeitern und Psychologen und unter
Voraussetzung einer stabilen Psyche wird mit den betroffenen Frauen der Eintritt in Stufe 2 realisiert.
In der Stabilisierungsphase sollen Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, in denen jede Frau
sowohl alleine als auch in Wohngemeinschaften (WG) lernt, (wieder) ein eigenständiges Leben zu
führen. Die Frauen sind mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, bekommen jedoch weiterhin
individuell abgestimmt die Unterstützung, die sie benötigen, um den Übergang in die Unabhängigkeit zu
erleichtern. Der Fokus soll in Phase 2 auf die Jobsuche gelegt werden, bzw. die Suche nach geeigneten
Ausbildungsmöglichkeiten, um langfristig finanziell unabhängig zu werden. Eine stufenweise
angehobene Miete trägt zur Gestaltung eines normalen Lebensalltag so realistisch wie möglich bei. Hier
muss ebenfalls auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen eingegangen werden. Pauschale Grenzen
sind kontraproduktiv.
In der Entlassungsphase sollen die Frauen die Einrichtung verlassen und können mit einer gestärkten
Resilienz und mehr Selbstvertrauen ihren Alltag bewältigen. Die erlernte Selbstständigkeit kann nun in
den eigenen vier Wänden gelebt werden. Sozialarbeiter und Psychologen besuchen in immer größer
werdenden Abständen die Frauen und bieten ihre Unterstützung an, bis diese nicht mehr benötigt wird.